Blog-Beitrag #2: Hotel Sales & Convention Sales

Krise als Chance.

Handelspolitische Konflikte, Exportrückgang, Konjunkturabschwung, Gewinnwarnungen, Stellenstreichungen, Kurzarbeit – mehr als nur Alarmsignale. Besonders die Automobilbranche, Maschinenbauer und deren Zulieferindustrien sind betroffen. Was bedeutet das für die Hotellerie, insbesondere für das Geschäftsreise- und Tagungsgeschäft? Haben die Hoteliers die Signale erkannt und daraus bereits Konsequenzen und Maßnahmen für die Zukunft abgeleitet? Welchen Handlungsbedarf gibt es kurz- und mittelfristig? Mit diesen Fragen beschäftigen sich die Hotellerie-Experten Silke Förster, Svend Evertz und Renko Hermans von KeepConsult und rufen zum Handeln auf.

Fakten-Check

Die Tages-, Wirtschafts- und Fachpresse wird seit Wochen dominiert von Negativ-Schlagzeilen wie Autokrise, Arbeitszeitkürzungen in den Firmen, Zwangsurlaub für Angestellte verschiedener Branchen, Konjunkturrückgang und damit verbundene Rezessionsängste. So vermeldet beispielsweise der Fachverband VDMA ein für die Gesamtbranche exemplarisches Minus im Maschinen- und Anlagenbau für Baden-Württemberg nebst Prognose einer merklichen Eintrübung bei der Produktion. Der 30-prozentige Gewinneinbruch von Chemie-Gigant BASF wird als signifikantes Alarmsignal für weite Teile der deutschen Wirtschaft gewertet. Die Baader Bank rechnet in ihrer Branchenstudie mit weiteren Gewinnwarnungen. Auch in anderen Chemiefirmen heißt es, dass die Autoindustrie nicht in Fahrt kommt. In China, dem wichtigsten Markt für die deutschen Autobauer, ist Medienberichten zufolge der Rückgang der Autoproduktion mit zuletzt rund dreizehn Prozent mehr als doppelt so hoch wie im globalen Durchschnitt. Bislang war China ein wichtiger Absatzmarkt der deutschen Industrie. Allein die Autoverkäufe gingen von Januar bis April jedoch um rund zwölf Prozent zurück. Zudem melden die Chinesen einen Rückgang ihres Außenhandels und der Industrieproduktion im Land, was negativen Einfluss auf deutsche Vorprodukte zur Folge hat. Die Firma Brudermüller vermeldet angesichts der schwachen Konzernverfassung strikte Kostendisziplin. Autobauer Daimler gibt einen Verlust von 1,6 Milliarden Euro vor Zinsen und Steuern im zweiten Quartal an. Die Deutsche Bank entlässt 18.000 Mitarbeiter, bei Siemens sind es 2.700, bei Thyssen Krupp 6.000 und 37.000 bei Volkswagen. Der Einkaufsmanagerindex, der als Stimmungsbarometer des Konsums gilt, liegt seit Monaten bei etwa 45 von 100 Punkten. Deutschlands Volkswirtschaft wächst derzeit so langsam wie kaum eine andere in Europa. Die möglichen Auswirkungen des bevorstehenden Brexit auf die deutsche Wirtschaft sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Glaubt man den Stimmen des G20-Gipfels Ende Juni, ist nicht mit einer schnellen Entspannung der Lage zu rechnen. Hält der Trend an, könnte Deutschland zur Belastung für Europa und zum Problem für den Euro werden. Tobende Handelskriege, De-Globalisierung, Alterung der Gesellschaft, Hinterherhinken bei der Digitalisierung, fehlende Investitionen in geistiges Kapital, kaum Finanzierung junger, innovativer Firmen – die Liste wirtschaftlicher Negativ-Faktoren ließe sich noch beliebig verlängern.

Agieren ist besser als Reagieren

Die Branchenkenner Silke Förster, Svend Evertz und Renko Hermans erklären, warum diese Faktenlage für die Hotellerie so relevant ist: Weltweit buchen Automobilkonzerne und ihre Zulieferindustrien niedrig geschätzte 10 Millionen Übernachtungen pro Jahr. Wenn die Automobilbranche stottert, hängt jeder fünfte Arbeitsplatz in Deutschland davon ab. Früher oder später wird diese Entwicklung Auslastung und Rate in den Tagungs- und Geschäftsreise-Hotels in Deutschland betreffen durch eklatante Einsparungen der bisher zahlungskräftigen Kunden. Das wird die Hotellerie empfindlich treffen. Aber bislang ist lediglich „das wird schon“ oder höchstens ein „wir sind wachsam“ aus Hotellerie-Kreisen zu vernehmen.
„Wir haben den Eindruck, dass derzeit die Branche die Fakten ignoriert“, stellt etwa Svend Evertz fest. Die Konzernhotellerie betrachtet die Trends ohne erkennbare Aktivitäten. Deren Hauptgeschäft liegt bei den meisten Unternehmen in den USA und dort ist aufgrund der Steuerpolitik (noch) nicht viel von den Problemen zu spüren. Hotels im KMU-Sektor sind dagegen schon jetzt betroffen, wenn heimische oder europäische Unternehmen aufgrund wirtschaftlich indizierter Einsparungen Meetings, Incentives, Konferenzen, Kongresse, Tagungen, Seminare und andere Firmen-Events zurückfahren oder gar ersatzlos streichen. Es herrscht also dringender Handlungsbedarf!

Aus der Krise als Gewinner hervorgehen

In jeder Krise gibt es Gewinner. Die Frage ist, welche Faktoren braucht es dafür? Was kann die Hotellerie selbst tun, um aktiv gegen die Krise zu steuern und selbst als Gewinner aus einer schweren Phase hervorzugehen?
Zunächst gilt es, sich der Situation bewusst zu werden und die Mitarbeiter für die Situation zu sensibilisieren. Es bedarf Weitblick, um die Auswirkungen zu erfassen. Auf den ersten Blick hat das alljährlich wiederkehrende Trainingslager einer Fußballmannschaft vielleicht nichts mit der Wirtschaftslage und der Hotelauslastung zu tun. Weit gefehlt! Ein Blick auf die Sponsorenliste des Vereins hilft, um abschätzen zu können, ob auch das nächste Trainingslager im Hotel stattfindet oder eben nicht. So kann auf einen Schlag enormer Umsatz für ein Hotel wegbrechen, wenn nur einer der Sponsoren einer Mannschaft von der Wirtschaftskrise betroffen ist. Es gilt also, Zusammenhänge für das eigene Geschäft über den Tellerrand hinaus zu erkennen, die vielleicht auf den ersten Blick nicht sichtbar sind.


Wo ist mein Markt? Was macht meinen Markt aus? Wo kommt mein Geschäft her? Was sind meine Kundensegmente und meine Top-Kunden und in wieweit ist absehbar, ob diese von äußeren Einflüssen wie einer Wirtschaftskrise betroffen sind? Was kann ich besonders gut, worin bin ich spezialisiert? Welche Formate biete ich an für das MICE-Business der Zukunft? Hoteliers müssen sich spätestens jetzt diese und weitere Fragen stellen, um eine Brücke zu schlagen, wenn die eigenen Hotelkunden von der Krise getroffen werden und damit gegebenenfalls existenzielle Auswirkungen auf den Hotelumsatz entstehen. Eine genaue Analyse und Bewertung der Situation und der Kundenstruktur des Hotels ist erforderlich. Dabei muss der Mikro-Markt im direkten Hotelumfeld ebenso wie der Makro-Markt in der weiteren Peripherie betrachtet werden. Wichtig ist, nicht ausschließlich budgetgesteuert und vergangenheitsorientiert zu analysieren, sondern die Betrachtungen auf die Zukunft zu richten.

Adler-Perspektive statt Vogel-Strauß-Taktik

Am wenigsten hilft es, sich vor den Fakten zu verschließen, den Kopf in den Sand zu stecken und zu hoffen, dass die Krise das eigene Hotel nicht erwischt. Jetzt heißt es, in Adler-Manier zu fokussieren und konkret zu handeln:

Kommunikation

Wer frühzeitig mit Bestandskunden und Key Accounts kommuniziert, kann die Entwicklung in den jeweiligen Geschäftssegmenten besser einschätzen, sich vorbereiten und alternative Vertriebsstrategien entwickeln.

Übersicht gewinnen

Hoteliers sollten sich ein globales Bild über die gesamtwirtschaftliche Entwicklung machen. Freilich nicht jede Hiobsbotschaft ist relevant für das eigene Hotel. Man muss ein Gefühl dafür entwickeln, welche Nachrichten tatsächlich direkte Auswirkungen auf das eigene Business haben können. Wer aufmerksam Handelsmagazine liest, den Welthandel beobachtet und daraus Rückschlüsse auf die eigenen Kunden zieht, kann rechtzeitig gegensteuern. Hat das Hotelgeschäft Kunden aus dem direkten oder indirekten Umfeld von krisengebeutelten Unternehmen aus der Automobilbranche, der chemischen Industrie oder Gesellschaften, die vom globalen Handelsstreit mit den USA betroffen sind, so sind Umsatzeinbrüche absehbar. Ein Blick ins Netzwerk ist ebenfalls nützlich: Betrachtet ein Hotelier aufmerksam die Auslastung seiner Branchenkollegen und Partner wie Airlines, Autovermietungen etc. sind daraus leicht Rückschlüsse für das eigene Geschäft abzuleiten.

Outsourcing oder Inhouse

Auch direkt im Hotelumfeld gibt es aufschlussreiche Indikatoren: So hilft das Betrachten von Leihfirmen, um die Entwicklung im Personalbereich einzuschätzen und Entscheidungen zu treffen, um die Kostensituation extern oder inhouse in den Griff zu bekommen. Doch Vorsicht bei Entscheidungen in der Krise: Wenn personelle Reduzierungen nicht vermeidbar sind, so müssen sie im Hinblick auf die Zeit nach der Krise sinnvoll sein, damit man beim Aufschwung nicht plötzlich personell unterbesetzt ist.

Kernprozesse überprüfen

Killerphrasen wie „Das haben wir schon immer so gemacht“ oder „Das haben wir noch nie so gemacht“ haben spätestens jetzt keinen Platz mehr im Hotel-Vokabular. Kernprozesse müssen dringend überprüft werden und an die veränderten Marktbedingungen angepasst werden, um krisenfest zu sein. Insbesondere im Sales-Prozess gilt es, präzise zu werden und Key Accounts zu binden, aber auch auf den Prüfstand zu stellen. Sind meine Kunden noch die richtigen? Gibt es neue Geschäftsfelder im Mikro- und Makro-Kosmos des Hotels? Welche Branche ist von den derzeitigen Entwicklungen überhaupt nicht betroffen bzw. partizipiert sogar daraus? Wie sind die operativen Voraussetzungen? Wichtige Fragen, deren Antworten entscheidend sind, wenn es darum geht, Prozesse und Kostenstrukturen zu optimieren und krisenfest zu machen.

Krise spielen

Eine Krisensituation durchzuspielen heißt, das Szenario zu erfassen, einen Stresstest durchzuführen, wie weit das Hotel den Deckungsbeitrag runterfahren kann, um noch geschäftsfähig zu sein. Das schafft Gewissheit, bis zu welchem Punkt das Hotel in der Krise „bullet proof“ ist und gibt den Akteuren einen Handlungsrahmen.

Bewusstsein schaffen

Ist die Geschäftsführung, sind die Mitarbeiter auf dem aktuellsten Stand? Produktionszahlen, Umsätze und KPIs sind für das Team oft nicht transparent und so können mögliche wirtschaftliche Auswirkungen hotelintern nicht bewusst erfasst werden. Ein Beispiel: Ein deutscher Zulieferer der Automobil- und Maschinenbauindustrie, bedient an einem Standort 60 Prozent des Tagungsumsatzes in der örtlichen Hotellerie. Kaum auszudenken, wenn dieses Potenzial wegbricht… Auf solche „Worse Case“-Szenarien muss ein Team vorbereitet sein. Mitarbeiter müssen – rechtzeitig! – trainiert werden, um im besten Fall vorher agieren bzw. im schlimmsten Fall reagieren zu können. Stabilität, Motivation und Belastbarkeit sind bereits in guten Zeiten wichtige Voraussetzungen. In der Krise sind diese Eigenschaften unerlässlich, um Panik zu vermeiden und ruhig durch schwere Zeiten zu steuern.

Planungsfähigkeit optimieren

Ein abgeschlossener Vertrag über ein Tagungsgeschäft ist längst noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Gerade in unsicheren Zeiten gilt es, die Stornofähigkeit genauestens unter die Lupe zu nehmen und gegebenenfalls offensiv damit umzugehen. Bei den ersten Anzeichen ist es ratsam, den Kunden anzusprechen, konkret und verbindlich zu sein. Sollte ein Storno dennoch nicht abzuwenden sein, muss man sich nicht einfach damit abfinden. Es gilt – im eigenen wie im Kunden-Interesse – Alternativen vorzuschlagen, Ideen zu entwickeln, dem Kunden im Problemfall proaktive Unterstützung anzubieten, insbesondere wenn die Stornierung aus Kostengründen veranlasst ist. Wer hier proaktiv Lösungen für den Kunden findet, hält nicht nur den – vielleicht vorübergehend geringeren - Umsatz im Hotel, sondern bindet den Kunden, der in schlechten Zeiten für die Unterstützung dankbar ist und dann auch in guten Zeiten gerne wiederkommt.

„Hotelligence“

Unter diesem etwas holprigen Schlagwort verbirgt sich der einfache Satz „Bediene Deine Systeme“. In guten Zeiten bespielen Hoteliers gerne zahlreiche Kanäle oft halbherzig. Nicht erst in Krisenzeiten sollte diese Alibi-Funktion in konkretes Potenzial verwandelt werden, das heißt Kanäle auf ihre Konversionskraft hin überprüfen, entsprechend „füttern“ und für das eigene Geschäft arbeiten lassen.

Fazit: Die Krise wird kommen, ist zum Teil schon da – das ist nicht mehr schön zu reden. Mit Panikmache ist allerdings niemandem gedient. Hoteliers, die gut vorbereitet in die Krise gehen, können als Gewinner daraus hervorgehen und werden gut aufgestellt und gestärkt in die Zukunft blicken.
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Quellenhinweis
Die im Beitrag aufgelisteten Fakten sind recherchiert anhand von aktuellen Medienberichten aus Tageszeitungen, Fachmagazinen und Online-Publikationen, basieren auf Gesprächen mit Branchenexperten und spiegeln die persönliche Einschätzung der Autoren wider.
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